In den Cévennen wohnen noch viele ehemalige Bergarbeiter.
Nicht wenige von ihnen sind in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts aus Belgien, Polen, Nordfrankreich
und Nordafrika in die Cévennen gezogen. Weil Deutschland im
ersten Weltkrieg die belgischen und nordfranzösischen
Kohlereviere besetzt hielt, musste Frankreich auf seine kleineren
Abbaugebiete im Süden zurückgreifen und viele Nordfranzosen
und Belgier sind damals mit der Kohle in den Süden geflohen.
Vielleicht gefällt es uns hier auch deshalb so gut, weil hier ähnlich offene und freundliche Menschen wie im Ruhrgebiet leben, eben keine muffigen "Hinterwäldler".
Die Bäckerin in der
Boulangerie
erzählte uns stolz, dass
der in Frankreich sehr angesehene ehemalige deutsche "Président"
Willy Brandt in Gagnières oft Urlaub
gemacht habe. Er hatte in den achtziger Jahren hier ein Ferienhaus mitten im Wald.
Die Cévennen waren eine wichtiges Operations- und Rückzugsgebiet der französischen Resistance, die im zweiten Weltkrieg gegen die Besetzung durch Nazi-Deutschland kämpfte.
Sie waren 1702-1704 auch Schauplatz des sogenannten Kamisardenkrieges,
eines Aufstandes der protestantischen Hugenotten gegen die Unterdrückung
durch Ludwig XIV, nachdem dieser die von Heinrich IV 1598 mit dem
"Edikt von Nantes" eingeführte Religionsfreiheit wieder abgeschafft
hatte. Der Protestantismus hat hier Spuren hinterlassen und sich
- eine französische Kuriosität - auch bis heute gehalten,
wie die Existenz des
centre chrétien
in Gagnières beweist.
Bis ins vorletzte Jahrhundert wurde in Südfrankreich Occitanisch und Provençalisch gesprochen, Sprachen, die dem Katalanischen und Italienischen näher sind als dem Französischen. Sie wurden dann tatsächlich verboten (eine Folge des napoleonischen Nationalismus). Heute können noch etwa 10% der Menschen im "Langue d'Oc(citan)" Occitanisch verstehen. Man tut heute, was man kann, um die Sprachen lebendig zu halten. Sie werden wahrscheinlich nur in der Literatur und in den alten Volks- und Minneliedern (z.B. der Troubadoure) überleben. "La Pignatelle", der Name 'unseres' Ortsteils, kommt wohl vom Kiefernzapfen "la pigne de pin", italienisch "la pigna".