Geschichte

Gagnières (gesprochen "Ganjähr") liegt in einer Region, die sowohl von der gebirgigen und doch mediterran-warmen Landschaft der Cévennen als auch vom inzwischen eingestellten Steinkohlebergbau (von ca. 1850 bis 1980) geprägt ist. In Gagnières hat die letzte Mine schon vor 1930 geschlossen. Und auch im Rest der nördlichen Cévennen ist inzwischen buchstäblich dichter Wald über die Relikte dieser Epoche gewachsen. Für die Bevölkerung bedeutet sie immer noch ihre wirtschaftliche Blütezeit, auf die sie auch mit Stolz zurückblickt. Es gibt hier auch ein Besucherbergwerk, die "Mine Temoin d'Alès".

In den Cévennen wohnen noch viele ehemalige Bergarbeiter. Nicht wenige von ihnen sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus Belgien, Polen, Nordfrankreich und Nordafrika in die Cévennen gezogen. Weil Deutschland im ersten Weltkrieg die belgischen und nordfranzösischen Kohlereviere besetzt hielt, musste Frankreich auf seine kleineren Abbaugebiete im Süden zurückgreifen und viele Nordfranzosen und Belgier sind damals mit der Kohle in den Süden geflohen.

Vielleicht gefällt es uns hier auch deshalb so gut, weil hier ähnlich offene und freundliche Menschen wie im Ruhrgebiet leben, eben keine muffigen "Hinterwäldler".

Die Bäckerin in der Boulangerie erzählte uns stolz, dass der in Frankreich sehr angesehene ehemalige deutsche "Président" Willy Brandt in Gagnières oft Urlaub gemacht habe. Er hatte in den achtziger Jahren hier ein Ferienhaus mitten im Wald.

Die Cévennen waren eine wichtiges Operations- und Rückzugsgebiet der französischen Resistance, die im zweiten Weltkrieg gegen die Besetzung durch Nazi-Deutschland kämpfte.

Sie waren 1702-1704 auch Schauplatz des sogenannten Kamisardenkrieges, eines Aufstandes der protestantischen Hugenotten gegen die Unterdrückung durch Ludwig XIV, nachdem dieser die von Heinrich IV 1598 mit dem "Edikt von Nantes" eingeführte Religionsfreiheit wieder abgeschafft hatte. Der Protestantismus hat hier Spuren hinterlassen und sich - eine französische Kuriosität - auch bis heute gehalten, wie die Existenz des centre chrétien in Gagnières beweist.

Bis ins vorletzte Jahrhundert wurde in Südfrankreich Occitanisch und Provençalisch gesprochen, Sprachen, die dem Katalanischen und Italienischen näher sind als dem Französischen. Sie wurden dann tatsächlich verboten (eine Folge des napoleonischen Nationalismus). Heute können noch etwa 10% der Menschen im "Langue d'Oc(citan)" Occitanisch verstehen. Man tut heute, was man kann, um die Sprachen lebendig zu halten. Sie werden wahrscheinlich nur in der Literatur und in den alten Volks- und Minneliedern (z.B. der Troubadoure) überleben. "La Pignatelle", der Name 'unseres' Ortsteils, kommt wohl vom Kiefernzapfen "la pigne de pin", italienisch "la pigna".

S t a r t